Sekten im kritischen Blick
Sekten wirken auf den ersten Blick meist wie eine gute Gemeinschaft, eine wunderbare Gruppe, von der man ein Teil sein möchte. Wir wissen jedoch, dass manche Sekten Leben ruinieren können…
Aber warum tritt man dann einer Sekte bei? Wie erkennt man eine Sekte rechtzeitig? Was sind die Gefahren einer Sekte? Und wie kommt man da wieder raus? Beziehungsweise: Wie kann man andere beim Ausstieg unterstützen?
Gründe für den Beitritt:
Wer einer Sekte beitritt, sucht oft gleichgesinnte Menschen oder Lösungen für Probleme. Viele stehen in schweren Lebensabschnitten und brauchen Hilfe. Andere wollen sich selbst kennenlernen und „verbessern“. Sekten nutzen diese Lage aus, die Menschen werden freundlich willkommen geheißen. Sie werden „unterstützt“, bekommen Hilfe umsonst und das soll sie in die Sekte locken und in der Sekte halten.
Junge Menschen treten Sekten oft aufgrund von Einsamkeit bei. Dort sind sie nicht alleine und haben viele „Freunde“. Oft sind diese jungen Menschen eher introvertiert. Sie lernen erst in der Gemeinschaft viele ihrer sozialen Kompetenzen kennen. Auch bei Senior*innen ist Einsamkeit ein wiedererkennbares Motiv für einen Sektenbeitritt. Ein weiterer Grund für einen Beitritt von älteren Leuten ist das Versprechen auf körperliche Heilung. Dies spielt im Alter eine besondere und große Rolle. Wer möchte denn nicht möglichst lange leben? Und möglichst sportlich und beweglich, also fit, bleiben.
Viele Sekten spezialisieren sich auch.
Es gibt Sekten, die ihren Mitgliedern mehr Erfolg im Leben versprechen. Oft treten dort gerade die Leute bei, deren Wunsch es ist erfolgreich zu sein, die aber das Gefühl haben, es alleine nicht zu schaffen. Aber auch Menschen, welche bis dahin in eher untergeordneten Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet haben, schließen sich diesen Sekten an. Diese Gruppierungen versprechen ihren Mitgliedern schnelles Vorankommen auf der Karriereleiter.
Vielen von euch bekannt sind wahrscheinlich die typischen Sekten, welche Verschwörungs-Theorien vertreten. Sie kritisieren die Gesellschaft. Sie sprechen Leute an, die mit der schnellen Entwicklung der heutigen Zeit überfordert sind. Die Mitglieder suchen oft eine Erklärung für diese schnellen Prozesse, denn so sind sie es nicht gewohnt.
Es gibt auch Gruppen, die vor allem junge Menschen mit Liebeskummer ansprechen, diese Gruppen sind eine Art Partnervermittlung.
Die letzte, eher seltene, aber oft radikale Form einer Sekte, stellt sogenannte „Verbindungen“ zu Übernatürlichem her und erschafft eine andere weitere „Ebene“ in der Welt. Einige wenige Menschen aus der Sekte sind dort oder können mit „Seelen“, „Göttern“ oder ähnlichem aus dieser Ebene kommunizieren. Sie lehren ihre Mitglieder, dass sie geistig „aufsteigen“ können. Der Wunsch danach wird mit der Zeit größer und der Glaube mächtiger. Hier finden sich vor allem Personen in den mittleren Lebensjahren. Auch sie befinden sich oft in einer beruflichen oder privaten Problemlage.
Sektenmerkmale:
Nicht immer erkennt man eine Sekte leicht. Sie wirkt nach außen oft, wie eine gute Gemeinschaft, von der man ein Teil sein möchte. Oft wird eine Sekte zu spät als solche erkannt, oder gar nicht. Typische Merkmale für eine Sekte sind:
1) Es gibt eine Führungspersönlichkeit, deren Aussagen nicht hinterfragbar sind und der Verehrung zukommt.
2) Die Sekte kontrolliert oder steuert oft viele verschiedene Bereiche des Lebens.
3) Es gibt eine gruppengeleitete Überwachung (wie eine Art Security) oder gegenseitige Überwachung, welche über Gespräche dann an die Gruppenleiter weitergegeben wird. Letzteres ist also ein eher unauffälliger Kontrollmechanismus zur Überwachung des Verhaltens der einzelnen Mitglieder.
4) Die Organisation hat ein elitäres Bewusstsein. (Das bedeutet, sie fühlen sich über andere gestellt, besser oder mächtiger).
5) Es gibt eine Innen-Außen-Spaltung mit Abwertung der Außenwelt, eine systematische Abwertung des bisherigen Lebens.
6) Endogamie, das bedeutet ein Verbot oder die Verachtung von Liebesbeziehungen zu Außenstehenden. (Dies führt teilweise zu Inzest)
7) Hohe zeitliche Inanspruchnahme der Mitglieder.
8) In manchen Fällen werden auch die finanziellen Ressourcen der Mitglieder abgegriffen.
Gefahren einer Sekte:
Jede Sekte birgt Gefahren. Man erkennt sie erst nach gewisser Zeit oder auch gar nicht, aber sie existieren. Durch taktische Mittel werden Sektenmitglieder beeinflusst, sie stehen später unter starkem Druck. Einige der Gefahren habe ich hier einmal aufgelistet.
Die Mitglieder werden Stück für Stück von der Außenwelt abgetrennt, die Außenwelt wird schlecht gemacht. Das bisherige Leben der Beigetretenen wird abgewertet. Oft arbeiten Mitglieder sogar in ihrer Sekte. Ihr komplettes Umfeld, alle ihre Freunde sind genau da. Was am Anfang wie ein Segen scheint, wird, wenn man Bedenken bekommt oder wenn man austreten möchte, zu einem Fluch. Denn außerhalb der Sekte haben die ehemaligen Mitglieder oft nichts mehr. Sie sind sozial, finanziell und psychisch von der Gruppe abhängig.
Während der Zeit in der Gemeinschaft werden die Mitglieder auf verschiedene Weisen ausgenutzt: finanziell, materiell, psychisch und physisch (z.B. sexuell). All das hinterlässt bei Ihnen lebenslange Schäden. Um dafür zu sorgen, dass Mitglieder der Gruppe treu bleiben, wird ihnen mit dem Rauswurf gedroht. Dies ist sehr hart, denn es bedeutet meist, komplett alleine ohne alles neu starten zu müssen. Dazu kommt immer noch die Drohung: Wer aussteigt, geht für immer!
Viele denken also nicht über die Nachteile der Sekte nach, sie wollen all das nicht wahrhaben! Die Mitglieder wollen die Gemeinschaft und die Vorteile nicht missen. Sie bekommen große Angst, und auch die Mitglieder, welche aussteigen möchten, fühlen sich so gedrängt, in der Sekte zu bleiben. Auch sind Mitglieder oft sehr fixiert auf den Anführer oder die Anführerin der Gruppe. Er ist ein sehr besonderer Mensch für sie, sie wollen ihn*sie nicht enttäuschen. Wenn sie jedoch einen kleinen Fehler machen, dann wird er*sie es sofort mitbekommen und enttäuscht sein. Danach folgen eventuell auch noch Strafen. Dem allen wollen die „Untergebenen“ ausweichen! Die Aussagen der Leitung werden nie hinterfragt. Viele Sektenmitglieder glauben sogar, die Führer*innen kennen sie besser, als sie sich selbst kennen. Ratschläge werden immer angenommen und befolgt. Der*die Sektenführer*in weiß ja, was am besten für die Schüler*innen ist.
Die größte Gefahr ist, dass einen die Überzeugung, die durch Manipulation entstanden ist, zum Selbst- oder Massenmord treibt.
Auch nach einem gelungenen Ausstieg hat das Verhalten der Sekte noch Auswirkungen auf den Alltag der ehemaligen Mitglieder. Sie fallen teilweise in alte, gelernte Verhaltensmuster zurück. Dies beeinflusst viele Situationen auch in der Gegenwart der Aussteiger. Menschen werden unterdrückt, manipuliert, sie sollen dem Anführer immer zustimmen können und alles für die Gruppe tun. Aussteiger werden von Führungsmitgliedern stark unter Druck gesetzt. Sie dürfen keinen Kontakt zu den aktiven Mitgliedern mehr haben. Ihnen wird gesagt, dass sie in der Schuld der Sekte stehen. Die ehemaligen Mitglieder werden verfolgt und oft wird ihnen über den Rechtsweg gedroht. Sie werden von der Sekte verklagt. Auch werden sie massiv zum Schweigen gedrängt. All dies bringt viele dazu, der Sekte einfach aus dem Weg zu gehen und nicht gegen sie vorzugehen.
Wie bringt man Menschen dazu, aus einer Sekte auszusteigen:
Das ist gar nicht so einfach, denn wie ihr jetzt wisst, ist diese Gruppe oft alles für die Menschen. Wenn das ganze Leben sich in einer Sekte abspielt, ist es schwer, überhaupt daran zu zweifeln, dass sie das Richtige für einen ist. An diesen Punkt kommen Mitglieder oft nach vielen Jahren, nachdem sie viel für die Sekte getan haben. Das ist natürlich gut für die Ziele der Sekte, aber umso schlimmer für ihre Mitglieder. Sie können kaum alles aufgeben, denn was bleibt ihnen?
Deswegen ist es am besten, wenn man aus eigener Überzeugung austritt. Das bedeutet, die Mitglieder merken nach einiger Zeit selbst, dass die Sekte nicht gut ist, weder für sie noch für andere. Bis Mitglieder aber an den Punkt kommen, an ihrer Gemeinschaft zu zweifeln, ist meist viel Zeit vergangen. Sie, ihr Umfeld, ihre Arbeit, alles hat sich verändert. Umso schwerer fällt auch der Ausstieg. Diese Art von Ausstieg braucht viel Zeit. Die*der Aussteiger*in hat genug Zeit, rational über den Austritt nachzudenken, positive und negative Argumente zu vergleichen. Dadurch wird der Ausstieg unterstützt. Das ehemalige Mitglied ist überzeugt, genau das Richtige für sich zu tun. Dieser selbst gesteuerte Ausstieg ist auch gut für die spätere Verarbeitung des Erlebten.
In vielen Fällen kommt der Impuls zum Austritt aber von Menschen, die den Sekteneintritt eines Verwandten oder Freundes als etwas Schlechtes empfinden. Von denen, die sehen, wie sehr der Beitritt ihre*n Freund*in verändert, wie schlecht es für sie*ihn ist. Das kann einmal durch Überzeugung des Mitglieds passieren oder unter Zwang.
Wenn man ein Mitglied einer Sekte dazu bringen will, freiwillig auszusteigen, sollte man ein paar Dinge beachten. Dabei kommt es vor allem auf die Überzeugungskraft der Argumente an. Die Argumente sollten nachweisbar sein, sie sollten auf Fakten aufbauen. Alle Informationen für die Argumente sollten über Quellen sicher belegt werden sein. Es sollte möglichst keine Gegenargumente geben, oder auch diese sollten widerlegt werden. Sie sollten möglichst glaubwürdig sein und nicht provozieren.
Es spielen noch zwei weitere Dinge eine Rolle, welche die Überzeugung beeinflussen können.
Einer dieser Faktoren ist die Person, welche das Mitglied zu überzeugen versucht. Die Person sollte eine möglichst enge, wichtige Beziehung zum*zur Aussteiger*in haben. Auch wichtig ist die Dauer der Mitgliedschaft. Je länger jemand in so einer Gruppe feststeckt, desto schwerer wird es – außer, das Mitglied zweifelt selbst schon.
Sobald der Ausstiegsprozess erst einmal einen Anfang gefunden hat, ist es wichtig dass der*die Aussteiger*in einen Moment in der Sekte erlebt, welcher ihr*ihm zeigt, dass ein Ausstieg wirklich das Beste für sie*ihn ist. Dieses Ereignis wird vielen anderen Mitgliedern nicht auffallen, nur denen, welche schon Zweifel in sich tragen, werden das so wahrnehmen. Es kann der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.
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